Ältestes Wohnungsunternehmen Deutschlands

Die ALEXANDRA-STIFTUNG hat eine bewegte und vor allem lange Geschichte. Zar Nikolaus I. war es, der 1852 das Fundament legte und die Idee des gemeinnützigen Wohnungsbaus hatte. Sein Schwager König Friedrich Wilhelm I. von Preußen stiftete 1.000 Dukaten. Zarin Alexandra wurde Namensgeberin. So gibt es die Alexandra-Stiftung nun seit fast 170 Jahren; damit ist sie das älteste Siedlungswerk Deutschlands.

 

Ein wichtiges Stück Berlin

Die ALEXANDRA-STIFTUNG ist ihrem Stiftungszweck treu geblieben. „Die Stiftung verfolgt in praktischer Ausübung christlicher Nächstenliebe den Zweck, Wohnraum, der nach Größe, Ausstattung, Miete oder Belastung für die breiten Schichten des Volkes bestimmt und geeignet ist, zu errichten und zu angemessenen Preisen zu vermieten. Die Bautätigkeit soll möglichst im durch öffentliche Mittel oder durch besondere Maßnahmen und Vergünstigungen geförderten Wohnungsbau erfolgen“, so die Satzung. Rund tausend Wohnungen gehören der Alexandra-Stiftung in Berlin und Brandenburg. 2001 hat die HWS die Geschäftsbesorgung der Stiftung übernommen. Und auch einige ihrer Mitarbeiter.

 

Ein Gespräch mit Dorit Brauns – Vorstand der ALEXANDRA-STIFTUNG

Liebe Frau Brauns, es heißt, die Kuratoriumsversammlung  vom 30. Juni 2015 war für Sie ein ganz besonderer Tag. Warum?

Dorit Brauns:

Für mich, aber auch für Herrn Nadig, vor allem aber für die ALEXANDRA-STIFTUNG: An diesem Tag wurde ich vom Kuratorium der Stiftung in den Vorstand berufen und Marco Nadig zum Prokuristen. Dies geschah auf Vorschlag des Vorstands. Das Besondere an meiner Berufung ist die Tatsache, dass erstmals in der Geschichte der ALEXANDRA-STIFTUNG eine Frau zum Vorstand gehört – also seit 163 Jahren! Sozusagen ein historischer Moment für die Stiftung und ein glücklicher Moment für mich persönlich.

Das erstaunt in der Tat, immerhin trägt die Stiftung den Namen einer Frau: Alexandra.

Dorit Brauns:

Ja, und das ist kein Zufall: Die ALEXANDRA-STIFTUNG ist das älteste Wohnungsbauunternehmen Deutschlands. Sie wurde 1852 gegründet und trägt den Namen der Zarin Alexandra. Die Namensgebung erinnert daran, dass sich bei Gründung dieses gemeinnützigen Wohnungsbauvereins der russische Herrscher mit einer Stiftung in Höhe von 1.000 Dukaten beteiligt hatte: Das war damals ein Riesenvermögen. Der Prinz von Preußen und spätere Kaiser Wilhelm I. hatte den Zaren dazu bewogen, schließlich war der Prinz der wichtigste „Sponsor“, wie man heute sagen würde. Er leitete damals auch die Aktionärsversammlungen.

Warum wurde denn zu dieser Zeit überhaupt ein Wohnungsverein gegründet?

Dorit Brauns:

Ende des 19. Jahrhunderts waren – vor allem in Berlin – die Wohnbedingungen erschreckend. Nicht nur den Ärmsten der Armen fehlte es an bezahlbarem Wohnraum, auch die Handwerker und der untere Mittelstand drohten ins Elend abzusinken. Steigende Preise für Grund und Boden machten das Wohnen in den eigenen vier Wänden für immer mehr Menschen zu einem unerfüllbaren Traum. Das Spekulantentum machte sich breit. Ungesunde Schlupfwinkel, höhlenartige Keller, kalte Dachkammern und feuchte Ställe wurden als Wohnungen vermietet. Die für Berlin typischen Mietskasernen entstanden. Heinrich Zille brachte es auf den Punkt: „Man kann mit einer Wohnung einen Menschen genauso gut töten wie mit einer Axt.“

„Die Namensgebung erinnert daran, dass sich bei Gründung dieses gemeinnützigen Wohnungsbauvereins der russische Herrscher mit einer Stiftung in Höhe von 1.000 Dukaten beteiligt hatte.“

Dorit Brauns, Vorstand der ALEXANDRA-STIFTUNG

Und mithilfe eines Vereins konnte man an den untragbaren Zuständen etwas ändern?

Dorit Brauns:

Das war damals der Plan. Dazu aufgerufen hatte der königlich-preußische Landbaumeister C. W. Hoffmann, und 1848 nahm der erste gemeinnützige Wohnungsbauverein seine Tätigkeit auf. Das war der Vorläufer der ALEXANDRA-STIFTUNG. Es ging darum, gesunde und geräumige Wohnungen für die sogenannten kleinen Leute zu schaffen: bezahlbare Wohnungen, die auch in freies Eigentum übergehen konnten. So entstand sozialer Wohnraum.

Wie ließ sich das denn rein ökonomisch realisieren?

Dorit Brauns:

Das Kapital zum Bau der Sozialwohnungen wurde durch Aktien erwirtschaftet, an denen sich neben dem Königshaus auch wohlhabende Fabrikanten, berühmte Adelsfamilien sowie Gelehrte beteiligten. Leider waren die Mittel irgendwann erschöpft, der Verein litt unter Schulden und stellte seine Bautätigkeit ein. Doch dann floss wieder Geld durch die Stiftung des Zaren, und die ALEXANDRA-STIFTUNG nahm ihre Tätigkeit auf.

Die Geschichte der ALEXANDRA-STIFTUNG ist also ein Auf und Ab?

Dorit Brauns:

Das kann man wohl sagen. Doch nicht nur Geldsorgen bedrohten das Wohnungsbauunternehmen, vor allem waren es politische Umstände wie die beiden Weltkriege und die Teilung Deutschlands 1945. Das ging selbstverständlich nicht spurlos an unserem Unternehmen vorüber. Es ist ein riesiges Glück, dass wir all das überdauert haben.

Können Sie das ein bisschen näher beschreiben?

Dorit Brauns:

Der Zweite Weltkrieg hatte einen Trümmerhaufen hinterlassen: 22 Prozent des Wohnungsbestands der ALEXANDRA-STIFTUNG waren total zerstört oder unbewohnbar. Das war im Vergleich zur Gesamtlage noch günstig. Der weitaus größere Verlust aber war die Enteignung der im sowjetischen Sektor gelegenen Häuser. Die Kriegsschäden an der verbliebenen Bausubstanz der ALEXANDRA-STIFTUNG konnten bis 1952 behoben werden. Als dann Westberlin das neue Wohnungsbaugesetz der Bundesrepublik Deutschland übernahm, begann unser gemeinnütziges Unternehmen wieder mit dem Bau von Wohnungen. Seit 16 Jahren führt nun die Hilfswerk-Siedlung GmbH die Geschäfte der Stiftung. Und darauf können wir angesichts der wechselvollen Geschichte und sozialen Mission der ALEXANDRA-STIFTUNG durchaus stolz sein.