Die Wohnung ist mehr als ein Existenzgut. Sie ist Mittelpunkt des privaten Lebens und seit der Corona-Pandemie zunehmend auch Arbeitsort. Der damit verbundene erhöhte Flächenverbrauch steht jedoch den UN-Nachhaltigkeitszielen entgegen und vergrößert zudem ein ohnehin schon bestehendes Verteilungsproblem.
Die KfW stellte bereits 2008 fest, dass deutsche Bürger*innen bereit sind, einen überproportionalen Anteil ihres Einkommenszuwachses für Wohnungen auszugeben. Die Zunahme der Pro-Kopf-Wohnfläche von etwa 20 m² Anfang der 1960er Jahre auf rund 48 m² im Jahr 2022 korreliert entsprechend mit dem Wachstum des verfügbaren Haushaltseinkommens.
Das mobile Arbeiten kann künftig zu einem noch stärker wachsenden Platzbedarf pro Person führen, da insbesondere bei der dauerhaften Remote-Arbeit viele Arbeitgeber dazu übergehen, einen eigenen Arbeitsraum vom Arbeitnehmer zu verlangen.
Laut den Zahlen des Statistischen Bundesamts verursachte die Raumwärme im Jahr 2022 rund 73 % der CO²-Emissionen im Bereich Wohnen. Der steigende Wohnflächenkonsum pro Kopf beeinträchtigt die Energieeffizienz und die damit einhergehenden Nebenkosten zusätzlich. Im Jahr 2022 betrugen die Wohnkosten bei der armutsgefährdeten Bevölkerung 43,6 % des verfügbaren Haushaltseinkommens, bei der nicht armutsgefährdeten Bevölkerung nur 21,2%.
Durch die hohe Einkommenselastizität der Nachfrage führen die Steigerungen der verfügbaren Haushaltseinkommen zu einer höheren Nachfrage nach Wohnfläche. Diese Nachfrage kann durch den langen Bau- und Planungsprozess weder schnell noch kostengünstig befriedigt werden und führt damit zu Mietsteigerungen.
Lösungen für Neubau und Bestand
Bestand
Aufgrund hoher Kosten sowie hohem Zeitaufwand, den Umzüge und Renovierungen mit sich bringen, sind kurzfristige Lösungen nicht möglich. Zusätzlich verändert ein Umzug nicht selten das soziale Umfeld der Mieter*innen, weshalb er oftmals nur als letzter Ausweg in Betracht gezogen wird.
Auf lange Zeit gesehen, gibt es jedoch Lösungsansätze, die zu einer faireren Wohnflächenverteilung führen.
Die übliche Regel der HWS lautet möglichst sozial und ökologisch zu vermieten. Auf dieser Basis wurde die Kopf-Raum-Regelung bzw. die Kopf-Raum-Regelung +1 ins Leben gerufen.
- Kopf-Raum-Regelung: Zimmerzahl = Personenzahl
Diese Regel gilt grundsätzlich für alle Singles, Paare und Familien mit zwei Elternteilen. Demnach würde z.B. eine Einzimmerwohnung der HWS an einen Single, eine Zweizimmerwohnung an ein Paar ohne Kind und eine Dreizimmerwohnung an ein Paar mit Kind vermietet werden.
- Kopf-Raum-Regelung +1: Zimmerzahl = Personenzahl + 1
Diese Ausnahmeregel gilt für Alleinerziehende und stellt sicher, dass das Elternteil sowie die Kinder genug Privatsphäre haben.
Zusätzlich zur Personen- und Zimmerzahl ist das richtige Maß der Wohnkostenbelastung für eine gerechte Verteilung ausschlaggebend. Dieses sollte im Idealfall ca. 30% des Haushaltsnettoeinkommens im Vergleich zur Gesamtmiete ausmachen.
Neubau
Technische und kulturelle Entwicklungen wie Fußbodenheizung statt Heizkörper, Flachbildschirm statt Röhrenfernseher sowie Kindle statt Bücherwand zeigen, dass die Wohnfläche ohne Wohnwertverlust reduziert werden könnte. Auch der Trend zur Wohnküche ermöglicht eine Flächenreduzierung. Weniger Wohnfläche verbraucht weniger Heizenergie und führt zu einer geringerer Flächeninanspruchnahme.
Mit guter Architektur sind somit folgende Wohnungsmodelle möglich:
- Barrierearme Einzimmerwohnungen mit 35 m²
- Zweizimmerwohnungen für Paare mit 40 m²
- Wohnungen mit einem und zwei halben Zimmern für Alleinerziehende mit 40 m²
- Zweizimmerwohnungen mit drei halben Zimmern für fünfköpfige Familien mit unter 80 m²
Fazit
Um das Problem der Verteilungsgerechtigkeit langfristig und flächendeckend zu lösen, ist eine gesellschaftliche Debatte über sozial- und klimaverträgliches Wohnen sowie eine entsprechende Umsetzung im Mietrecht nötig. Dafür setzen wir uns ein und gehen mit gutem Beispiel voran.